Festsitzende Schiffer, gestrandete Touristen und hohe Kosten für Unternehmen: Der Unfall an der Schleuse Müden in der Mosel hat immense Auswirkungen auf die Region. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
Am Sonntagmittag krachte ein Güterschiff beim Einfahren in die Moselschleuse nahezu ungebremst gegen das Untertor. Beide Torflügel wurden bei dem Unfall laut Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) komplett aus ihrer Verankerung gerissen. Außerdem seien die hydraulischen Antriebszylinder und die Befestigung massiv beschädigt.
Nach Einschätzung der Ermittler könnte der Unfall auf einen technischen Defekt des Schiffes zurückgehen. «Wir gehen erst mal davon aus», sagte ein Sprecher der Wasserschutzpolizei in Koblenz. Der Schiffsführer habe einen technischen Defekt als Ursache abgegeben. Diese Aussage müsse noch von einem Gutachter vor Ort überprüft werden, sagte der Polizist.
70 Schiffe sitzen fest
Experten wollen den entstandenen Schaden nun genau begutachten. Dazu müsse zunächst die Schleusenkammer leergepumpt werden, sagte ein Sprecher des WSA Mosel-Saar-Lahn in Koblenz.
Gleichzeitig suche das Amt mit Hochdruck nach einer Lösung, die festsitzenden Schiffe in das Unterwasser von Müden zu schleusen, damit diese die Mosel in Richtung Rhein verlassen könnten. Man gehe von rund 70 Schiffen aus, die auf der Mosel und auf der Saar nach dem Unfall nicht weiterkämen und quasi gefangen seien.
Wegen der Sperrung können die Schiffe den durch das Saarland und Rheinland-Pfalz führenden Fluss nicht in Richtung Rhein verlassen. Am Mittwoch soll besprochen werden, wie eine Lösung für die Schiffe aussehen könnte. Die Schiffsführer seien deshalb gebeten worden, auf ihren aktuellen Liegeplätzen zu bleiben. Rund 15 der Schiffe lägen in der Saar.
Vorbereitungen zur Schadensbegutachtung laufen an
Um den Schaden zu begutachten, müssen zur Vorbereitung für die Trockenlegung der Schleusenkammer nun im Laufe des Tages zunächst spezielle Verschlüsse am Schleusentor zur Abdichtung eingesetzt werden. «Dann kann man sehen, welche Schäden unter Wasser sind», sagte der Sprecher des WSA. Danach werde festgelegt, wie die jeweils bis zu 40 Tonnen schweren Torflügel herausgehoben werden könnten.
Nach einer ersten Einschätzung war von einer Sperrung bis Ende März 2025 ausgegangen worden. Für die Torflügel werde aktuell geprüft, ob ein andernorts lagerndes Ersatztor hergerichtet und verwendet werden könne - aber auch dann würde es bis zu zwei Monate dauern, bis es wieder freie Fahrt gebe.
Wichtige Route für Güter
Die Mosel gilt als wichtiger Transportweg für die Schifffahrt in der Region. Bisher wurden durch die Schleuse Münden in diesem Jahr laut WSA rund 8,1 Millionen Gütertonnen transportiert. Rund 600 Fahrzeuge der Großschifffahrt wurden demnach 2024 durch die Schleuse geschleust.
Millionen Mehrkosten
Der Geschäftsführer des Trierer Hafens, Volker Klassen, forderte eine schnellere Reparatur der Schleuse. Bei drei bis vier Monaten Ausfallzeit spreche man über zwei bis zweieinhalb Millionen Tonnen Güter, die jetzt anders bewegt werden müssten. Es gehe auch um Rohstoffe für die Stahlproduktion im Saarland und im Luxemburg sowie fertige Stahlprodukte. Man wappne sich nun dafür, dass Güter nun auf die Bahn und Straße verlegt werden müssten.
Beispiel Liqui Moly: Das Unternehmen rechnet nach Angaben eines Sprechers mit rund 1.000 zusätzlich benötigten Tanklastwagen-Ladungen, um die Rohstoffe an ihr Ziel zu bringen. Der Schmiermittel-Hersteller bezieht normalerweise wöchentlich etwa 2.200 Tonnen Rohstoffe über ein Schiff. Am Montag habe man die Mehrkosten noch grob überschlagen auf 500.000 Euro geschätzt. Indessen sei konkret nachgerechnet worden: «Die Mehrkosten werden bei 1 Million Euro liegen», sagte der Sprecher.
Schiffe müssen stets besetzt sein
Der Hafen Trier könne bis zu 15 Schiffe hochwassersicher aufnehmen, sagte Klassen. Er habe bereits einige Anfragen von Flusskreuzfahrern, die bei ihm festmachen wollten. An sich biete die Mosel selbst einige Stellen, wo Schiffe anlegen könnten. Die Schiffe müssten stets besetzt sein. «Das ist nicht wie bei einem Auto, das man irgendwo abstellt.»
Seit Jahren werde gefordert, alle zehn deutschen Schleusen an der Mosel mit zweiten Kammern auszubauen. «Weil sonst haben wir den Flaschenhals, den wir jetzt haben», sagte Klassen. Bisher gibt es eine zweite Schleusenkammer nur an den Staustufen Trier, Zeltingen und Fankel.
Urlauber sitzen ebenfalls fest
Der Unfall an der Schleuse Müden hat auch Flusskreuzfahrtschiffe ausgebremst. Ein Schiff mit 170 Urlaubern liege derzeit in Cochem, wie eine Sprecherin der Phoenix-Reisen in Bonn sagte. Von dort würden die Gäste am morgigen Mittwoch nun per Bus zum ursprünglichen Zielort der Reise - nach Köln - gebracht. Die Gäste zeigten Verständnis für die Lage. «Wir können es ja auch nicht ändern», sagte die Sprecherin in Bonn.
Eine Sprecherin der Mosellandtouristik GmbH zeigte sich ebenfalls optimistisch. «Die touristische Hauptsaison in der Region Mosel Saar ist von April bis Ende Oktober», teilte sie mit. Traditionell markiere Ostern den Start für die Ausflugsschifffahrt. Im Jahr 2025 liege dieser erst im April. «Somit gehen wir davon aus, dass der Schaden bis zum Start der touristischen Hauptsaison behoben sein wird und die Ausflugsschifffahrt in der Saison 2025 wie gewohnt stattfinden kann.»
Wie geht es weiter?
Nach Angaben des Baubevollmächtigten für die Schleuse, Klaus-Peter Berhard, sind die Arbeiten sowohl an den beschädigten als auch den neuen Schleusentoren sehr aufwendig und zeitintensiv. Die Torflügel in der Schleuse würden zurzeit zum Herausheben vorbereitet. Das soll demnach am Donnerstag geschehen. «Dafür wird ein großer Kran gebraucht, der die Teile heraushebt und an Land ablegt wieder», erklärte Berhard. «So ein Schleusentorflügel wiegt knapp 50 Tonnen.» Entsprechende werde ein Kran benötigt, der das heben könne.
«Ein Ersatztor steht Gott sei Dank zur Verfügung», sagte er. «Aber das kann man sich nicht vorstellen wie eine normale Zimmertür.» Die Tore seien noch im Rohbau und die Ausstattung für die Schleuse müsste noch rangebaut werden.
Dass alle Arbeiten bis Ende März abgeschlossen seien, sei nur eine Schätzung unter Vorbehalt, sagte Berhard. Hochwasser etwa könnten die Arbeiten noch blockieren oder behindern.
von Birgit Reichert und Mona Wenisch, dpa
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