Unterhaltung im Wandel der Zeiten
Analoges UKW-Radio ist eine der wenigen Konstanten in der Unterhaltung. Jenseits davon hat sich im Lauf der Jahre extrem viel getan – nicht nur auf technischer, sondern auch auf konsumierender Seite.
Analoges UKW-Radio ist eine der wenigen Konstanten in der Unterhaltung. Jenseits davon hat sich im Lauf der Jahre extrem viel getan – nicht nur auf technischer, sondern auch auf konsumierender Seite.
2022 waren laut Angaben des Statistischen Bundesamtes 96,5 Prozent aller deutschen Haushalte mit einem Fernseher ausgestattet. Definitiv viel – aber interessanterweise weniger als beispielsweise noch 2017. Damals waren es 97,8 Prozent. Man darf also, um es fachsprachlich zu formulieren, von einer hohen „Marktdurchdringung“ sprechen. Das gilt besonders, weil es 2022 rein rechnerisch pro Haushalt 1,68 TV-Geräte gab.
Je weiter du in den statistischen Zeitreihen zurückgehst, desto auffälliger wird es, was für eine Selbstverständlichkeit die nicht wirklich mehr flimmernde „Flimmerkiste“ geworden ist. Doch so verbreitet sie sein mag, sie befindet sich derzeit inmitten eines Umbruchs, wie er in der ganzen TV-Geschichte noch nicht vorkam.
Als die Bilder nachhause kamen
Bewegtbilder gibt es prinzipiell seit 1888. Als die 1920er Jahre anbrachen, waren nicht nur sie, sondern auch das ganze Prinzip des Kinos weltweit umfassend etabliert. In Deutschland beispielsweise existierten zum Jahresende 1927 immerhin 4.300 Kinos –2023 waren es nur noch knapp 1.750. Das bedeutet, viele Menschen waren es gewohnt, Filme zu sehen. Zudem zeigten die meisten Kinos im Vorprogramm noch Nachrichten, wodurch bereits ein etablierter Unterhaltungs- und Informationskomplex bestand.
Aus rein gesellschaftlicher Sicht war damals also die Zeit schon reif dafür, dieses Prinzip auf private Haushalte umzulegen. Das Problem: Das Aufnehmen eines Films mithilfe einer Filmkamera und das Abspielen auf einem Kino-Projektor sind technisch um Welten simpler als das Aufnehmen desselben Films, damit seine Bild- und Toninformationen zu einem Funksignal gemacht, übertragen und in einem Fernseher wieder „zusammengesetzt“ werden können.
Die ersten Versuche mit den Grundlagen der dafür nötigen Techniken hatte man bereits in den 1880er Jahren gemacht. Als 1897 die sogenannte Kathodenstrahlröhre entwickelt wurde, war ebenso die wichtigste technische Basis für Röhrenbildschirme – also klassische Fernseher – gelegt.
Die Sache war aber:
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) war das Fernsehen (Gerät und Medium) deshalb irgendwo zwischen Labor-Experiment und Spielzeug für Superreiche gefangen.
In verschiedenen Staaten begann man Ende der 1920er, Anfang der 1930er mit Testsendungen. In Deutschland sendete ab 1934 der „Fernsehsender Paul Nipkow“ (benannt nach dem Erfinder der Nipkow-Scheibe, des allerersten, extrem einfachen Fernsehgeräts) zudem das erste reguläre Fernsehprogramm der Welt. Allerdings war das gesamte Thema weit davon entfernt, massentauglich zu sein.
In Zahlen: Mitte der 1930er kostete ein Fernseher hierzulande etwa 2.000 Reichsmark. Das durchschnittliche (Brutto-)Monatseinkommen betrug 141 Reichsmark. In 2024er Euro umgerechnet sind das 9.200, respektive 648 Euro. Zusammen mit einem keinesfalls tages- und wochenfüllenden Fernsehprogramm verwundert es kaum, dass bis 1936 hierzulande nicht mehr als 200 Geräte verkauft worden waren.
Der Fernseher erobert die Welt
Die „Beeinflussung der Massen“ durch propagandistische Dauerbeschallung hatte im nationalsozialistischen Deutschland eine enorme Bedeutung. Daher galt der Fernseher durchaus als ein Mittel, das man dafür ebenso missbrauchen konnte, wie man es während dieser gesamten 12 Jahre mit dem Radio tat. Doch wo die Nazis es beim Radio schafften, den Herstellern mit den „Volksempfänger“-Einheitsradios verbindliche Vorgaben für sehr günstige Geräte zu machen, war das beim Fernseher aus Kostengründen schlicht nicht möglich.
Auch in vielen anderen Staaten fristete das Fernsehen ein Nischendasein, was durch den Krieg nochmals verschärft wurde. Allerdings: Die rasante technische Entwicklung zwischen 1939 und 1945 wischte verschiedene Schwierigkeiten beim TV-Gerät beiseite. Etwa, weil verschiedene Länder damals mit über einen Bildschirm vom Flugzeug aus gelenkten Bomben mit Kamera an der Spitze experimentierten.
Ab den späten 1940ern herrschte deshalb eine ganz andere Situation vor als vor dem Krieg – und das Fernsehen legte einen kometenhaften Aufstieg hin. Das ist an den Zahlen der regelmäßigen Fernsehzuschauer gut zu erkennen:
Das lag primär daran, dass die technischen Hürden beseitigt waren, die Geräte- und Anschlusspreise dramatisch sanken – und es in diesen zirka 10 Jahren eine Menge Anlässe gab, die erstmals prestigeträchtig im TV übertragen wurden. 1953 etwa wurde die Krönung von Queen Elisabeth II. live übertragen. Das nahmen viele Briten (und nicht nur die) zum Anlass, sich einen Fernseher zu kaufen.
In den darauffolgenden Jahrzehnten trugen weitere Entwicklungen dazu bei, das Fernsehen auf einen solchen globalen „Thron“ zu heben:
Der große Wandel: Fernsehen im Hier und Jetzt
Natürlich kamen seit den 1980ern noch weitere Entwicklungen hinzu. Allerdings waren Dinge wie die Umstellung auf rein digitale Übertragungen oder das Ende des Röhren- zugunsten des Flachbildfernsehers eher Details. Wirklich relevant wird das heutige Standing, wenn du dir das Fernsehen als Medium aus einem größeren Blickwinkel ansiehst.
Aktuell fällt ein langjährig etabliertes Prinzip in Form des Nebenkostenprivilegs. Das bedeutet, wenn du zuvor Kabelfernsehen über den Vermieter bezogen und abgerechnet hast, musst du jetzt selbst tätig werden und kannst dadurch beispielsweise ganz weggehen vom Kabel-TV. Das mag wie ein Detail des Mietrechts wirken. Auf das große Ganze bezogen ist es jedoch ein hochinteressanter Baustein, der dafür steht, wie sehr das gesamte Fernsehprinzip seit Jahren kippt:
Das Konzept der Sender bleibt davon nicht unberührt. Die Öffentlich-Rechtlichen finanzieren sich zu großen Teilen durch die Zahlungen des Rundfunkbeitrags. Die Privaten brauchen hingegen Werbegebühren. Hier sorgt das Wegbrechen der Zuschauerzahlen für deutlich reduzierte Einnahmen – was sich wiederum auf die Programmqualität auswirkt und dadurch die Gefahr birgt, weitere Zuschauer und somit Werbegelder zu kosten. Ein Paradebeispiel für einen Teufelskreis.
Das Fernsehen, wie es seit den ersten Ausstrahlungen in den 1930ern bestand, bricht also immer mehr weg. An seine Stelle tritt ein individuelleres, multimedialeres Entertainment, wie du es ebenfalls bei anderen Unterhaltungsformen beobachten kannst.
An dieser Stelle seien dir nochmals die sinkenden Zahlen von Haushalten mit Fernseher ins Gedächtnis gerufen. Von 97,8 auf 96,5 Prozent innerhalb von 5 Jahren mag kein weltbewegendes Abrutschen sein. Zumal es unter anderem zwischen 1998 und 2003 einen vergleichbaren Trend gab (95,8 zu 94,4 Prozent). In der Gesamtbetrachtung darf der Wert dennoch nicht ignoriert werden. Denn im Gegensatz zu früheren Zeiten könnte heute die Tatsache dahinterstehen, wonach mehr Menschen schlicht auf anderen Geräten streamen, On-Demand gucken oder eben lineares Fernsehen schauen.
Ab den 1920ern wurde das analoge Radio zum Massenmedium, wie bereits erwähnt. Schon etwa 20 Jahre zuvor begann mit der Schallplatte der erste breitverfügbare Tonträger seinen Siegeszug. Begrenzt auf Wenn du dich auf rein akustische Unterhaltung fokussierst, dann war die Entwicklung vergleichbar mit der des Fernsehens – ebenso stellt sie sich jedoch zuletzt völlig anders dar.
Das Ende des Tonträgers
Eine kurze Liste der gängigsten Tonträger von zirka 1900 bis weit in unser Jahrtausend hinein. Natürlich wirst du in vielen Geschäften nach wie vor eine Menge CDs und vielleicht sogar neue Schallplatten finden. Allerdings lässt sich nicht verhehlen, wie stark die Verkäufe physischer Tonträger zurückgehen. Das lässt sich bestens an den Jahres-Verkaufszahlen von CD-Alben nachvollziehen:
Betrachtet man die vergangenen vier Jahre als Kurve, ließe sich vielleicht ein Abflachen erkennen, was aber spekulativ wäre. CDs und Schallplatten werden wahrscheinlich noch für Jahre ihre Nische behalten. Doch als Massenmedium haben sie längst gegenüber Streams und On-Demand verloren – ein ganz ähnlicher Weg wie Linear-TV sowie Filme und Serien auf physischen Datenträgern.
Es gibt allerdings eine interessante Ausnahme von diesem Paradigmenwechsel:
Radio: Totgesagte leben länger
Ginge es nach so manchen politischen Entscheidern, könntest du schon seit Mitte 2015 kein RPR1. mehr empfangen – wenigstens nicht aus einem beliebigen analogen Radio. Denn schon mehrfach gab es Anläufe, das UKW-Radio einen ähnlichen Weg gehen zu lassen, den Mittel- und Langwelle schon lange absolviert haben. Vor allem, weil mit DAB+ eine etablierte digitale Alternative bereitsteht – und sehr viele Sender sowieso seit Jahren im Parallelbetrieb arbeiten.
Natürlich hat digitales Radio über DAB+ einige immense Vorteile. Vor allem ist der Klang viel brillanter und auf einer beliebigen Frequenz-Breite können viel mehr Informationen digital übertragen werden. Hinzu kommen außerdem noch Streams praktisch sämtlicher Sender im Netz und dort obendrein noch Radiostationen, die ausschließlich online zu hören sind.
Aber: Radio, als ein klassisches lineares Unterhaltungsmedium, ist das Einzige, das keine solchen Probleme hat, wie etwa das Fernsehen. Im Gegenteil, bei den On-Air-Sendern (analog und digital) stiegen die Zahlen zuletzt sogar an. Ebenso zeigt die Kurve der Werbeeinahmen nicht nach unten. Zudem sind die Zuhörerzahlen vergleichsweise konstant – es ändert sich nur die Zusammensetzung zwischen den täglichen und gelegentlichen Hörern. Auf die Gesamtbevölkerung umgerechnet, hört aktuell jeder Deutsche täglich zirka 3 Stunden lang Radio.
Doch warum ist Radio ein solcher „Fels in der Brandung“? Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon dürfte der einfache Zugang sein. Fast jeder hat ein Radio und für Analoggeräte sind die Preise extrem niedrig. Zudem eignet sich akustische Unterhaltung generell bestens, um im Hintergrund zu laufen. Du kannst beispielsweise kaum einen TV-Stream schauen und dabei am PC arbeiten – oder eine Zeitung lesen, während du Auto fährst.
Das alles garantiert akustischer Unterhaltung im Allgemeinen und Radio im Besonderen einen zukunftssicheren Stand – um den es so manche Medienschaffende anderer Branchen beneiden.
Musik: Demokratisierung durchs Web
Seitdem Ende der 1880er das erste Musik-Label gegründet wurde, bestimmten verschiedene Stellen darüber, welche Künstler überhaupt Chancen auf Erfolg bekamen: Wer keine Möglichkeit hatte, Platten zu veröffentlichen, aufzutreten, in Radiosendern oder im Musik-TV gespielt zu werden, der hatte ziemliche Probleme, Reichweite und Öffentlichkeit zu generieren.
In diesem Sinne ist das Internet einmal mehr das Element, das die Karten völlig neu mischte, eine ganze Menge „Zwischenleute“ ausschaltete und damit letztendlich das gesamte Musik-Business ziemlich auf den Kopf stellte.
Denn via YouTube, Spotify und all den anderen Plattformen kann theoretisch jeder auf Reichweite hoffen. Zudem ist es auf diesen Wegen möglich geworden, viel intensiver mit einem bestimmten Künstler in Kontakt zu treten. Vielleicht hast du beispielsweise schon einmal unter einem Video kommentiert und sogar eine Antwort erhalten.
Die Auswirkungen sind enorm. Denn besonders in diesem Jahrtausend wurden eine Menge Musiker zu Stars, weil das Internet ihnen einen viel leichteren Zugang zu ihren Fans gab. Wer früher Erfolg haben wollte, musste zwangsläufig hart arbeiten, musste an Clubauftritte gelangen und es irgendwie schaffen, dass sein Demo-Band bei einem Label aus dem Berg von Tausenden anderen Tapes gezogen, gehört und obendrein für gut befunden wurde.
An diesem Punkt sind sich beispielsweise Drake, Justin Bieber, Nicki Minaj, The Weeknd oder Tori Kelly ähnlicher, als ihre Musikstile es vermuten lassen. Natürlich existieren die Labels und andere Größen der Branche nach wie vor. Aber man hat als Künstler heute einen direkteren Draht zu seinen potenziellen Hörern. Das hat sogar noch einen weiteren Vorteil: Wir erhalten sehr viel mehr Mitspracherecht über das, was wir hören wollen. Darunter eben auch Musiker, die wir nicht durch Zufall live erleben können.
Der Dritte im Bunde der Unterhaltung ist das geschriebene Wort. Egal ob es wirklich rein unterhaltend ist oder, wie etwa Nachrichten, der informative Charakter Vorrang hat. Einmal mehr zeigt sich hierbei ein ziemlich differenziertes Bild, bei dem du scharf zwischen dem grundsätzlichen Prinzip und dem Medium unterscheiden musst:
Grundsätzlich kannst du deshalb davon ausgehen „gelesen wird immer“ – also ähnlich, wie es bei der akustischen Unterhaltung der Fall ist. Dennoch hat die aufs geschriebene Wort vertrauende Branche mit einer anderen Situation zu kämpfen; besonders bei den Nachrichten.
Denn die Dominanz der großen Zeitschriften und Magazine ist selbst online nicht mehr das, was sie einst war. Dahinter stehen verschiedene Faktoren. So ist beispielsweise das allgemeine Vertrauen in Medien deutlich gesunken. Zudem ermöglicht die „Demokratie des Netzes“ es noch vielen anderen, Nachrichten zu liefern, selbst wenn deren Glaubwürdigkeit teilweise gering ist.
Hinzu kommt außerdem die Kostenloskultur im Web. Wo man früher nur die Wahl hatte, eine Zeitschrift zu kaufen, oder es zu lassen, gibt es heute mehr als genug kostenlose Angebote, dazu noch viele Wege, Paywalls zu unterlaufen.
Das sieht man nicht zuletzt bei den großen Verlagshäusern. Viele haben stabile oder zumindest gleichbleibende Zahlen zu vermelden. Schaut man allerdings genauer hin, steht dahinter oftmals eine deutliche Verifizierung des Angebots – etwa durch Zukäufe bislang unabhängiger Magazine. Das bedeutet, es ist offen, wie lange sich solche Praktiken durchhalten lassen, will man keine Situation riskieren, in der beispielsweise die gesamte Nachrichtenlandschaft in den Händen einiger weniger Gruppen liegt.
Positiv ist die Lage indes für alles, was nicht in den Bereich der Mainstream-Unterhaltung fällt. Denn egal ob Manga oder Zeitung für innerstädtische Micro-Gärtner: Durch die digitalen Verbreitungswege gibt es heute bessere Chancen für all jene, die sich mit einer klassischen gedruckten Ausgabe kaum über Wasser halten könnten. In der Beziehung gibt es wieder deutliche Parallelen zur Musikbranche.