Beratung über Video - Wie Telepflege im Seniorenheim hilft
Ein Pflegeteam bekommt Verstärkung. Der Helfer heißt «Carlo»: Er soll Pflegekräften die Arbeit erleichtern. Warum er auch bundesweit eine Rolle spielt.
Ein Pflegeteam bekommt Verstärkung. Der Helfer heißt «Carlo»: Er soll Pflegekräften die Arbeit erleichtern. Warum er auch bundesweit eine Rolle spielt.
«Carlo» gehört zum Team schon dazu. Der Rollständer mit Bildschirm, Kamera und Lautsprecher wird von einer Pflegekraft ins Zimmer von Ursula Czoske geschoben. Die 84-Jährige hat Schmerzen im Bein. Über Video spricht Czoske mit einer Pflegefachfrau, die ihrer Kollegin vor Ort rät: «Mit Salbe eincremen, Wickel machen und am Abend noch mal kontrollieren!»
«Carlo» ist Herzstück eines Modellprojektes zur Erprobung von Telepflege im Altenwohn- und Pflegeheim der Vereinigten Hospitien in Trier. Er soll den Alltag der Pflegekräfte im Stift St. Irminen mit 135 Bewohnern leichter machen. Die Idee ist: Wenn eine Hilfskraft fachlichen Rat braucht, schaltet sie über «Carlo» eine Fachkraft per Video dazu.
Die Vorteile: «"Carlo" hilft unseren Pflegekräften, die Wege zu reduzieren», sagt Projektleiterin Hannah Schwarz. Man müsse nicht über vier Stockwerke laufen, um sich ein Bild zu machen, sondern könne vom Tablet aus eine Situation beurteilen und beraten. «Das spart Zeit und entlastet die Pflegekräfte», sagt Schwarz. Acht «Carlos» gibt es in der Einrichtung - zwei auf jeder Station.
«Riesengroßes Potenzial» der Telepflege
Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege und der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen werde Telepflege immer wichtiger, sagt Britta Gräfe, die beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) das Modellprogramm zur Erprobung der Telepflege leitet. Neben dem Projekt in Trier gehören bundesweit noch elf weitere Projekte zu dem Modellprogramm, das bis Ende 2025 läuft.
«Ziel ist, herauszufinden, für welche pflegerischen Leistungen in der Zeitpflege man Videokommunikation sinnvoll nutzen kann», sagt Gräfe in Berlin. «Das gibt es ja bislang so gesehen nicht.» Sie sehe «ein riesengroßes Potenzial», auch in der ambulanten Pflege. «Man kann Fahrtwege reduzieren und auch Pflegekräften neue Arbeitsmodelle ermöglichen.»
Landesweit einzigartig
In Rheinland-Pfalz ist das Trierer Projekt mit dem Titel «Telekooperation der Pflege» das Einzige, das zum Modellprogramm gehört. Das Modellprogramm wurde mit dem Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege eingerichtet. Zur Umsetzung seit Mitte 2024 werden insgesamt rund zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die digitale Kommunikation beispielsweise per Video ein geeignetes Instrument sein könne, um über räumliche Distanzen hinweg zu kommunizieren, teilt der GKV mit. Davon könne auch die Pflege profitieren. Bei der Telepflege wird stets ein zertifizierter Videodienst eingesetzt.
Die zwölf geförderten Telepflegeprojekte decken laut Gräfe alle mögliche Bereiche ab: von der Tagespflege in Einrichtungen über teilstationäre Pflege und die ambulante Pflege zu Hause bis hin zur Kommunikation zwischen Pflegern und Arzt. Örtlich reichen die Projekte von Lübeck über Aachen, Solingen und Karlsruhe bis zum Landkreis Kronach in Bayern.
Telepflege ist Zusatz, kein Ersatz
Für die GKV sei das Projekt der Vereinigten Hospitien in Trier wichtig. «Man kann schon sagen, es ist unser Vorzeigeprojekt», sagt Gräfe. «Wir wollen auch schauen, wie schafft man es vielleicht durch Telepflege den Beruf insgesamt attraktiver zu machen?» Bei dem Trierer Projekt gehe es auch um die Möglichkeit, Pflegehilfskräften mehr Kompetenzen zu geben.
Die Telepflege sei immer nur ein Zusatz und kein Ersatz für die Pflege, betont Gräfe. Es gehe vielmehr darum zu entlasten, auch Angehörige in der häuslichen Pflege. Bei der Telepflege sei es eine Pflegekraft, die die Videokommunikation initiiere, bei Telemedizin sei dies ein Arzt.
Positive Reaktionen auf «Carlo» in Trier
In Trier ist Pflegefachfrau Janna Santos ganz angetan von dem «Teledoc-Rollständer», der erst seit wenigen Wochen erprobt wird: «Ich hoffe, dass er unsere Arbeit erleichtern wird und wir so mehr Zeit haben werden für die Patientenversorgung», sagt die 32-Jährige.
Und wie kommt «Carlo» bei den Bewohnern an? Die gebürtige Saarländerin Czoske, die seit zwei Jahren in dem Heim lebt, findet das Projekt richtig gut. «Ich bin sowieso für technische Sachen», sagt sie. Die Pflegekräfte, die «Carlo» bisher getestet hätten, seien alle begeistert.
«Wann kommt "Carlo" denn mal zu mir?»
Schwarz sieht großes Potenzial in dem Projekt. Später könnten auch Ärzte einbezogen werden. Zudem seien neue Arbeitszeitmodelle in der Pflege möglich. «Wir könnten zum Beispiel Pflegefachkräfte auch im Homeoffice beschäftigen.» Auch von zu Hause könne man Konsultationen übernehmen.
Und schließlich arbeite man mit der Trierer Stadtverwaltung daran, die Erkenntnisse später an andere Einrichtungen weiterzugeben, sagt Schwarz.
Auch sie bekomme von den Bewohnern sehr positive Rückmeldungen zu «Carlo». «Ich wurde auch schon auf dem Gang angesprochen und gefragt: Wann kommt "Carlo" denn mal zu mir?»
Von Birgit Reichert (Text) und Harald Tittel (Foto), dpa
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